[berlin / 29.12.2024] watergate: multisex

das watergate wird es in einer woche leider nicht mehr geben und zur multisex wollte ich seit geraumer zeit mal. erfreulicherweise war die schlange gerade quasi nicht vorhanden und die win-win-situation somit perfekt.

wie bei der staub bleibt das line-up bis nach der party unter verschluss. für die multisex selbst geht es im neuen jahr fast zurück zu ihren ursprüngen, nur eine tür weiter: in den globus.

eintritt: 30 euro, es geht bis morgen abend um 20 uhr.

ablauf

mainfloor
22:30 dj heartbreak
03:00 sied
06:00 complex program
09:00 dj northern

waterfloor
18:00 pau pau
23:00 some uncertain sir
03:00 doudou md
06:00 livwutang
11:00 octo octa
15:00 abajour

nachbetrachtung

ich war zwei male da. sonntagabend von ca. 20 uhr bis montagfrüh um kurz vor 3. dann nochmal montagnachmittag von ca. 14 uhr bis zum schluss.

bin sowohl bei der multisex als reihe wie auch beim watergate zwiegespalten.
zunächst mal zum positiven: die multisex passte mit ihrem musikalischen, eher house-orientierten konzept perfekt in den club. dabei fand ich die zweite schicht wesentlich interessanter (da vielseitiger) als die erste, wobei oben am montagnachmittag keine musik mehr lief, jedoch der floor mitsamt bar noch geöffnet waren. angesichts des publikumsaufkommens auch die einzig vernünftige entscheidung, ansonsten wäre das auf dem waterfloor unten kein vergnügen mehr gewesen. war es für mich montag ab 18 uhr eigentlich auch nicht mehr, da der mainfloor zu der zeit geschlossen wurde. aber da unten an den fenstern glücklicherweise ein platz auf der ledercouch mit blickrichtung zur tanzfläche frei wurde, habe ich den bis zum ende einfach okkupiert. da blieb genug zeit, die multisex als party zu rekapitulieren, was jedoch eigentlich die gründe verdeutlichte, die mich davon abgehalten haben, öfter im watergate vorbeizuschauen.

eher meinen vorlieben geschuldet und nicht dem watergate anzukreiden: der club hat leider nicht ganz meine musikalische schiene bedient, aber dafür die von zahlreichen anderen. was mich angeht, hatte sich house mit mal mehr, mal weniger „tech“ davor bei mir mit ende der 2000er-jahre schon weitestgehend erledigt. das watergate hatte damit seine nische und bediente diese auch erfolgreich. auch wenn sie sich nach dem generationswechsel öffneten, war der stil in meinem langzeitgedächtnis festgeschrieben. zur location passte das eindeutig.
für mich war das publikum stets das zünglein an der waage. aufgrund der lage, der reputation des ladens sowie berlins als mekka des techno-jetset lag es auf der hand, dass zahlreiche tourist*innen das watergate aufsuchen wollen. nun gehen diese auch ins berghain oder in den tresor. beides läden, die mir mit traditioneller berliner techno-prägung musikalisch näher stehen und damit auch der habitus. und der ist mir beim techno-publikum (trotz uniformierung und formalisierung, die seither stattgefunden hat) von vornherein angenehmer.
das watergate hat sich in den letzten jahren geöffnet, auch techno-spielarten zugelassen und damit (zwangsläufig – nach der zurückliegenden mieterhöhung vor einigen jahren) eine größere zielgruppe anvisiert. und dies durchaus erfolgreich – die warning von ende 2023 zählt für mich immer noch zu einem positiven beispiel, wie ein alteingesessener club seiner dna treu bleiben, ihr aber zugleich frischen wind verpassen möchte. zu dieser dna gehörte jedoch leider auch, dass sich einige hochnäsige leute im club befanden, bei denen das budget keine rolle spielt und die daher mit einer gewissen „mir gehört die welt“-haltung durch den club stolzierten bzw. sich so aufführten. diverse bewegungsfreiheiten an ort und stelle haben gezeigt, dass das watergate sehr davon profitiert, wenn auch mal mehr politisch aktive oder zumindest interessierte den laden besuchen. mir fiel dabei jedes mal wieder ein, dass es sich eigentlich um eine clubperle handelt, die nur von den richtigen leuten häufiger besucht werden müsste.
einzig die preise machten ottonormalberliner da gerne einen strich durch die rechnung. berühmt-berüchtigt war die kritik an den getränkepreisen. und damit das bitte nicht falsch verstanden wird: natürlich wäre es toll, alles zu kursen wie anno 2004 zu bekommen. der wunsch geht jedoch an den faktischen realitäten vorbei, wegen denen das watergate am ende die reißleine gezogen hat. wenn sich über die jahre hinweg schon der mietpreis verdoppelt, trägt der in kombination mit gestiegenen produktions- (strom, material, booking) sowie personalkosten zur spirale bei, für die das watergate nicht zu kritisieren ist. eher im gegenteil: lieber würdevoll abtreten als mit 40 euro eintritt und 6 euro für ein 0,3er-bier zwar gerade noch so wirtschaftlich bleiben zu können, aber damit eben diejenigen anzuziehen, die sich um musikalische qualität eher weniger scheren. die wahrung eines rests von integrität ist unter den umständen nicht möglich. so bedauerlich es um die leute hinter den kulissen sowie die location ist: ich habe großen respekt vor der entscheidung, den club daher lieber schließen zu wollen und hoffe vielmehr darauf, dass sie sich nicht unterkriegen lassen und an anderer stelle etwas neues aufbauen. gerade bei der dort nachgerückten generation hat mir die mischung aus enthusiasmus, professionalität und gleichzeitiger gelassenheit imponiert. über den unsinn kapitalistischer regeln, wonach geldgierige eigentümer durch anziehen der preisschraube definieren, wie eine nutzung von locations in dieser exponierten lage aussieht, indem sie zahlungskräftigen großkonzernen überlassen wird, rege ich mich einfach nicht mehr auf. „kein richtiges leben im falschen“ und so.

zusammengefasst: für mich war das meistens neben meinem geschmack liegende musikalische programm und das teils snobistische publikum der grund, anderen clubs den vorzug zu geben. an location, sound, professionalität der mitarbeitenden lag das nicht – das alles gehörte zur oberliga in dieser stadt.
das spielte die multisex auch nochmal aus, bei der ich den club so voll wie seit der groove-party anno 2003 im juli nicht mehr erlebt habe. keine ahnung, ob es ein watergate-spezifisches phänomen ist oder die multisex ein jüngeres publikum anzieht – jedenfalls kam ich mir als mittvierziger schon als einer der ältesten vor. zudem: überschuss an typen. sollte die multisex sich als sexpositive party betrachten, war das höchstens an den outfits sowie dem präsenten awareness-team festzumachen. eine knisternde stimmung habe ich zumindest nicht wahrnehmen können. rückzugsorte waren quasi nicht vorhanden oder hätten bei der kompakten bauweise des watergate extra geschaffen werden müssen (abhängen der fensterseite des mainfloors mit molton an der linken seite der led-reihe bspw.).
die kompakte bauweise wurde zu fortschreitender zeit bei beiden schichten auf unterschiedliche art deutlich: am ende von schicht eins war’s ein abenteuer, die sachen an der garderobe wiederzubekommen. lag nicht am personal, das war so professionell wie es nur ging. aber die position der garderobe in der sackgasse mitsamt zigarettenautomaten war für das aufkommen einfach nicht geschaffen. gegen 2 uhr war das watergate schon so gut gefüllt, dass ein einlassstopp verhängt wurde. ca. 50 leute wollten zugleich sachen abgeben oder abholen. ein gedrängel und gedrücke war die folge und brachte (diplomatisch ausgedrückt) nicht immer das beste in den leuten zum vorschein (beispieldialog: ich: „durchdrängeln macht die sache nicht besser.“ – er: „doch.“ und leider gab ihm der erfolg recht, was das frustrierendste an der geschichte ist.). nichts für klaustrophobiker*innen also. hab mich am ende gewundert, dass das doch nur 40 minuten gedauert hat und als konsequenz meine sachen bei schicht numero zwei im rucksack behalten.
beim ende von schicht zwei war’s zwar kein akuter platzmangel, aber einen sitzplatz gab’s nach der schließung des mainfloors zeitweise nicht – außer auf dem ponton draußen. wie erwähnt: der glücksfall mit dem fensterplatz hat das erledigt.

tanzen war bei beiden schichten möglich, jeweils zum anfang.
in schicht eins pau pau mit waschechtem house, entweder mit den berühmten gesprochenen botschaften (irgendwas spirituelles) oder mit piano-lines – beides nichts, was mich zum fan des genres bzw. dieser spielarten macht. some uncertain sir in ungefähr der gleichen kerbe, jedoch erfreulicherweise auch mit electro-phase im set.
mich hat dj heartstring in seinen ersten 90 minuten am ehesten abgeholt, wo er electronica, ambient oder auch guten, alten berliner dubtechno spielte. im tanzbaren teil später fehlte mir etwas der rote faden, aber zwischendrin gab es eben auch perlen („808 the bassqueen“ wird immer und überall gehen).
bei schicht zwei stand die diversität bei beiden sets im vordergrund. im nachhinein wäre es schöner gewesen, den weg etwas früher anzutreten, um noch mehr von octo octa mitzubekommen als die letzte halbe bis dreiviertelstunde, aber hätte/wäre/wenn. sie mit ordentlichem anteil an breakbeats im set. abajour nutzten die fünf stunden zum spannen eines breiten bogens, der neben chicago (und acid) auch detroit beinhalten konnte. da war der platz in der hintersten ecke am durchgang zu den toiletten mein bester freund, weil tanzen dort erstaunlich ungestört möglich war – jedenfalls bis gegen 18 uhr.

hat die multisex eine gute visitenkarte abgegeben? ja, schon. es wird sich beim wechsel in den globus zeigen, wieviel des publikums vom watergate oder der reihe selbst abhängt. was definitiv für die multisex spricht: die qualität des bookings und den leuten zeit für lange sets einzuräumen (fünf stunden sind definitiv eine hausnummer).
kapazitätstechnisch habe ich keine zweifel daran, dass der globus das packen wird. auch die garderobensituation wird wesentlich entspannter sein als im watergate. einzig ohne abstriche wird es nicht gehen: ich kann mir nicht vorstellen, dass die aurora bar dafür bespielt wird. es wird sich zeigen, ob die multisex etwas näher an ihre wurzeln im ohm rückt und ein floor genügen wird oder ob sie lieber auf dem größeren plateau verweilen möchte.

ich hoffe jedenfalls, dass sie nicht der versuchung erliegen, bei einem floor so viele djs wie möglich unterzubringen und die vorhandenen weiterhin umso länger spielen zu lassen. die nächste ausgabe ist am 2. märz, was auch zugleich deren geburtstag ist. sollten die üblichen verdächtigen zu der zeit kein zwingendes line-up anbieten, schaue ich es mir bei der gelegenheit nochmal an. aber klar ist auch, dass ich nach dem ersteindruck keinen platzhalter für deren termine erstelle.

notierte tracks

pau pau
nalin & kane – beachball (original club mix)

dj heartbreak
a∞x – ceramic city
vainqueur – lyot (basic channel remix)
wadsworth – lime and pink
soundhack – scraper
stephen brown & fossil archive – more house
dj qu – mixing room
ricardo villalobos – 808 the bassqueen (extended loop) (direkt danach)
dj assassin – face in the crowd (chris simmonds remix)

some uncertain sir
anthony rother – back home

octo octa
god within – infinitely gentle blows (aural hallucination mix) (letzter track)

abajour
petra & co – just let go (dub)
bolla – makussa (dub two aka reprised two)
suburban knight – the groove