r.i.p. george michael

um das intro hoffentlich ein letztes mal überzustrapazieren: 2016 hat (insgesamt und nicht nur die todesfälle im künstlerischen bereich betrachtet) bei mir nicht unbedingt dazu beigetragen, zynische tendenzen zu überwinden – leider wohl eher das gegenteil. insofern war mein erster gedanke nach dem „och, nööö“ am abend des ersten weihnachtsfeiertages auch der, dass die bedeutung von „last christmas“ für ihn einen etwas morbiden beigeschmack bekommt.

die omnipräsenz des liedes ist gerade dieser tage ungebrochen und die damit einhergehenden polarisierenden reaktionen von verzückung auf der einen und augenrollen / wutschäumen auf der anderen seite gehören fast zum ritual dazu. ich selber habe mich damit vor geraumer zeit so arrangiert, in demonstrative verzückung zu verfallen, wenn ich die achtel-synthline der ersten takte höre. als ich dann noch erfuhr, dass „last christmas“ jedes jahr im dezember auf’s neue in die charts kommt und george michael auch wegen der häufigkeit, bei der es im radio gespielt wird, eine regelmäßige einnahmequelle hat, wuchs mein respekt sogar noch.

damit wäre der klischeehafte einstieg erledigt, da man ihm unrecht täte, ihn nur auf diese weihnachtsballade zu reduzieren. auch wenn es nachvollziehbar ist, dass manche wham als verkörperung der 1980er-fönfrisuren in die ecke der dunkelsten erinnerungen verbannen wollen, stehen sie zumindest für mich als beispiel für gute popmusik da und „wake me up before you go go“ als erster song mit george-michael-beteiligung, den ich bewusst mitbekam.

„faith“ war anno 1987 der song, der im autoradio oder daheim ganz schön häufig zu hören war und mich schon sowas wie mitgerissen hat. toller rhythmus, weniger bombast – neben „praying for time“ (und ja, auch „freedom“) ist das mein lieblingssong von ihm. wie es aber nun mal so ist: nach dem auftritt mit queen in wembley anno 1993 (mit dem famosen medley aus „killer“ und „papa was a rolling stone“) interessierten mich andere dinge und so bekam ich nur das mit, was die öffentlichkeit eher aufregen sollte: erregung öffentlichen ärgernisses, fahren unter einfluss gewisser substanzen etc.

auf der anderen seite standen jedoch ein durchaus selbstironischer umgang mit den geschehnissen und die tatsache, dass er mit seinem auftritt bei der abschlussfeier der olympischen spiele in london anno 2012 als respektabler sänger und nicht als abziehbild seiner selbst dastand. das war zwar keine umkremplung des bisher dagewesenen, aber immer noch musik, die ich ohne fremdscham anhören konnte.

am ersten weihnachtsfeiertag mit 53 verstorben, als ursache (deswegen kommt das posting auch erst heute) wurde herzversagen angegeben.

r.i.p.

mark hawkins alias marquis hawkes im interview

wurde mir gerade zugespielt: ein interview mit einem alten helden für damalige wonky-techno-käufer und einem neueren helden für heutige house-jünger, der über diverse umwege nun auch den erfolg hat, auf den er jahrelang hoffte. klassisch chronologischer aufbau, aber so detailverliebt, dass ich nicht nur gerne den artikel verlinke, sondern auch gleich theartsdesk in die linksammlung packe.

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r.i.p. andreas gehm

die vorrede à la „was läuft bei dir eigentlich falsch, 2016?“ – geschenkt.

in den letzten wochen war in den sozialen netzwerken schon zu lesen, dass es ihm gesundheitlich alles andere als gut ging. schmerzen, erbrechen, keine wirkliche diagnose, dafür finanziell so angeschlagen, dass er um spenden bat. eine solidaritäts-compilation konnte man auf bandcamp erwerben. nun ist er gestern abend verstorben, womit eine der koryphäen in sachen chicago, acid, house und auch electro hierzulande wegfällt. das am tage erfahren zu müssen, an dem die musik eigentlich gefeiert werden soll, gibt noch einen extra-bitteren beigeschmack.

r.i.p.

nachtrag, 24. juni 2016, 20:28 uhr:
die oben erwähnte compilation lässt sich immer noch kaufen, der erlös kommt jetzt den begräbniskosten und dem, was drumherum anfällt, zugute.

xlr8r: rückblick auf 25 jahre bunker records

als berliner muss man immer noch „records“ mit dazuschreiben, dazu sind die erinnerungen an den gleichnamigen club immer noch zu gegenwärtig. daher lieber gleich missverständnisse ausräumen, auch wenn es mittlerweile generationen gibt, denen man beibringen muss, dass dieser hochbunker an der reinhardtstraße in nähe des deutschen theaters mitte der 1990er für eine andere form von kunst als die stand, die sich heute nach voranmeldung bei herrn boros bestaunen lässt.

um den ehemals härtesten club der welt geht es beim xlr8r-artikel jedoch nicht, sondern vielmehr um die hausbesetzer-clique um guy tavares und ferenc van der sluis aus den haag, die bis heute als labelkonglomerat und nicht zuletzt durch intergalactic fm von sich reden machen. die parallelen zur hiesigen, insbesondere der ostdeutschen techno-szene in den kinderschuhen können definitiv gezogen werden, auch wenn labels wie tresor hierzulande schnell den anschluss an novamute schafften, was ganz andere budgets mit sich brachte. dahingegen blieb die kontrolle bei bunker und den angeschlossenen schwestern wie viewlexx oder murder capital stets in den eigenen händen, was bis heute finanziell auf kante genäht ist. der künstlerischen integrität schadet dies jedoch nicht – eher bewahrheitet sich mal wieder die alte, von underground resistance (zu denen gleich am anfang des artikels vergleiche gezogen werden) kolportierte these, dass gute musik nur dann entstehen kann, wenn profitabilität so überhaupt kein thema ist.

dann auf die nächsten 25! klick.

rückblick über 20 jahre raster noton bei residentadvisor und in der taz

die feierlichkeiten im berghain sind so lange noch nicht her, daher passt als nachreichung zum rückblick auf die party zum einen der eher überblickshafte artikel in der taz (mit mal wieder formidabler überschrift) und zum anderen ein in die tiefe gehendes interview bei residentadvisor mit den drei vätern (olaf bender / byetone, frank bretschneider, carsten nicolai / alva noto).

ben klocks persönliche einblicke bei xlr8r

und es geht direkt weiter. auch wenn er nicht zu meinen lieblings-residents des berghains gehört und stattdessen für mich (inhaltlich, nicht technisch – in der beziehung bin ich auf ihn neidisch) das mittelfeld verkörpert, ist es doch interessant, ein wenig hinter die fassade schauen zu können. viele werden die motive wiedererkennen, die ihn als dj antreiben, aber diese mischung aus distanziertheit und bodenständiger nähe, mit der er sich mit seinem job auseinandersetzt, ist schon die fünf minuten lesezeit wert.

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mala im interview mit boiler room

ich möchte mich mal wieder auf die alten blogger-tugenden besinnen und einfach nur inhalte von anderswo verlinken, um sie anderen zu empfehlen. dahinter stehen jedoch zugegebenermaßen ganz eigennützige motive: als relativ frischgebackener neuling in diesem blau-weißen sozialen netzwerk mit relativ großer reichweite kommen mir tagtäglich so einige artikel unter, die ich einfach nicht sofort lesen kann. oder wenn ich sie lese, kommt irgendwas dazwischen und später vergesse ich, dass es da noch einen löwenanteil gibt, der noch abgearbeitet werden muss. oder ganz einfach: ich möchte den artikel gerne nochmal lesen.
klar gibt es dafür dieses „gefällt mir“, aber da sich das mit den anderen, privaten angaben munter mischt, findet man am ende nichts wirklich gezielt wieder. lesezeichen beim browser? das geht dort auch unter. da dies hier eh als analogie zum tagebuch gedacht ist, gibt es daher nun einfach links zu artikeln, die nicht zwangsläufig im musikalischen bereich beheimatet sein müssen. sozusagen eine erweiterung der lesezeichen, an der alle interessierten teilhaben können.

und irgendwie schön, dass dieses interview mit dem herrn den anfang macht, der seit gut einem jahrzehnt die dubstep-fahne hochhält. auch wenn der boiler room polarisiert, ist die episode aus london, in der er sich im halbdunkel sehr zurücknehmend in szene setzt, ein schönes beispiel, wie das als weniger personenzentrierte veranstaltung aussehen kann. da bald ein neues album von ihm auf brownswood erscheinen wird („mirrors„, das er mit musikern auf peru aufgenommen hat und damit als direkte nachfolge auf „mala in cuba“ zu sehen ist), haben sie ihn direkt noch interviewt. also: klick.

r.i.p. prince

für meinen geschmack reicht es dann auch mal so langsam, 2016, sowas schreiben zu müssen. auch hier wieder mit der konzertmuffel-einleitung: nie geschafft, ihn zu sehen, immer auf das nächste mal verschoben.

ich muss so um die 11 jahre alt gewesen sein, als damals auf tele 5 „sign o‘ the times“ lief – sein legendärer konzertfilm, der wie ein videoclip wirkte und mich mitsamt schlagzeug-solo von sheila e. in der mitte ganz schwer beeindruckte. zuvor müsste er mir sicher im radio begegnet sein, ganz sicher bei nachmittäglichen hörsessions nach schulschluss bei einem freund, wo ich mich noch an „if“ oder „around the world in a day“ erinnere. „purple rain“ war sein erstes album, das in meinen besitz wanderte, „sign o‘ the times“ folgte wenig später. die beiden sind wohl auch die meilensteine, auf die man sich schnell einigen kann – für mich jedenfalls immer noch referenzpunkte.
prince war damit nach den beatles das zweite musikalische schwergewicht in meiner musikalischen entwicklung. und auch wenn pink floyd relativ zeitnah dazukamen, begleitete er mich bis „diamonds and pearls“. danach brach er mit seiner plattenfirma und wurde musikalisch wieder experimentieller (das lässt sich auch umgekehrt lesen, womit man auch den grund hätte. den vorreiter in puncto „alles in eigenregie“ machte er damit quasi nebenher.).
in meiner metal-phase (auf die dann für 1990er-verhältnisse so ab 1994 völlig unverständlich techno folgte) spielte er leider eine kleinere rolle. klar, die wandlung zum „symbol“ / the artist formerly known as prince bekam ich noch mit, aber musikalisch bestenfalls am rande. erst sein gemeinsam mit dem rolling stone eingefädelter coup mit „20ten“ brachte mich wieder zu ihm zurück. dazwischen lagen so ein paar sets, die sich mit „when doves cry“ oder „the future“ vom batman-soundtrack sehr gut garnieren ließen – gerade daheim oder auch wenn im club mal weniger techno, vielmehr house angesagt war.

letzte woche ließ er sich wegen grippesymptomen im krankenhaus behandeln, heute wurde er in paisley park tot aufgefunden. genaueres zur todesursache gibt es jetzt am donnerstag abend um 21:08 uhr noch nicht, das wird hier ggf. nachgereicht.
die bestätigte todesmeldung reicht eh, mir den tag gehörig zu vermiesen. so ein naturtalent, begnadeten musiker und performer lässt man mit gerade mal 57 nun mal nicht gerne einfach so gehen. ein teil in mir weigert sich noch, das einfach so hinnehmen zu wollen.

r.i.p., ganz großer kleiner mann.

nachtrag, 28. april 2016, 10:55 uhr:
bei all den mehr oder weniger gelungenen nachrufen sticht ein artikel von kirk degiorgio im wire heraus. schwerpunkt dessen ist der einfluss auf die erste welle an detroiter techno-produzenten, die sich nicht nur an den produktionstechniken, sondern an der „alles aus meiner hand“-haltung ein beispiel nahmen, was man gerade an underground resistance sehr gut beobachten konnte. prädikat „pflichtlektüre“.

nachtrag #2, 01. mai 2016, 23:31 uhr:
und hier noch diedrich diederichsens fünf thesen zur relevanz aus der zeit: klick.

nachtrag #3, 12. mai 2016, 21:03 uhr:
die us-ausgabe des rolling stone hat schon vor ein paar tagen die bereits 2014 geplante titelstory veröffentlicht, die so nicht erschien: klick. und während die tickermeldungen der deutschen ausgabe online eher der „bunte“ ähneln, wird der printversion der juni-ausgabe eine cd mit coverversionen sowie die dvd zu „sign o‘ the times“ beiliegen – das ist zumindest für mich ein feiner zug.

nachtrag #4, 12. juni 2016, 9:44 uhr:
für’s protokoll, wo es schon durch die medien ging: es war tatsächlich eine überdosis an schmerzmitteln, in seinem fall fentanyl.

r.i.p. david bowie

im gegensatz zu den bekannten nachrichtenmagazinen, die heute früh gleich dreifach als push-benachrichtigung vor dem aufstehen dafür gesorgt haben, dass das ein eher bescheidener tag wird, bin ich etwas spät dran. noch zudem wird es kein so elaborierter nachruf, der einer renommierten kulturredaktion zu aller ehre gereicht. aber dennoch möchte ich die gelegenheit nicht ungenutzt lassen, zu betonen, dass ich es fairer gefunden hätte, wenn major tom noch einige runden in der erdumlaufbahn geblieben wäre

nun ist es wie so häufig: das neue album werde ich mir jetzt wesentlich früher anhören. nachdem er sich auf „the next day“ in so erfrischender form gezeigt hatte, wird beim hören von „blackstar“ wohl das gefühl mitschwingen, dass er abschied nehmen wollte und viele werden die textzeilen des albums auf (mehr oder weniger offensichtliche) doppeldeutigkeiten prüfen.
damit hätte er (sollte es denn so sein), der wandelbare, damit unnahbare, wahrscheinlich das album geschaffen, womit er den hörer am nächsten an sich heranlässt. aber um den ewigen konjunktiv zu beseitigen: bis dahin bleiben mehr als 40 jahre karriere, in denen er nicht nach den regeln spielte, sondern sich diese selbst mit hilfe seiner diversen charaktere schuf. die androgynität im pop (grace jones): ohne ihn undenkbar. kunst und mode der 1920er-jahre: als „thin white duke“ greifbar. sein gespür, neue musikalische trends aufzugreifen und so zu adaptieren, dass es nicht künstlich, sondern so wirkte, als ob sie ein natürlicher teil seiner vielen facetten wären: beispielhaft.

ein ausnahmekünstler eben, vor dem der krebs auch nicht halt machte. kurz nach seinem 69. geburtstag verstorben. wenn das attribut „gesamtkunstwerk“ irgendwo passen sollte, dann auf ihn.

r.i.p.

r.i.p. lemmy & guru josh

zugegeben: ich wurde mit motörhead nie wirklich warm. das wird sich jetzt posthum auch nicht ändern, aber lemmy gebührt ganz großer respekt für seine kompromisslosigkeit, die er sich in dem geschäft bewahrte und von dessen „mir egal was ihr macht oder wollt, ich zieh hier mein ding durch“-attitüde sich so einige was abschneiden sollten. verstorben ist er an krebs wenige tage nach seinem 70. geburtstag, aber wenigstens scheint es schnell gegangen zu sein – was besseres kann man einem gestandenen rock&roller nicht wünschen.

bei guru josh sind die hintergründe noch unklar. wurde nur 51 jahre alt, ist auf ibiza verstorben. im (an allen ecken und enden hinkenden) vergleich zu lemmy ist sein musikalisches vermächtnis abseits von „infinity“ eher überschaubar, nichtsdestoweniger wird nun etwas wehmut mitschwingen, wenn diese prägnante saxofon-melodie im radio oder im club läuft. das gilt aber irgendwie auch für „ace of spades“.

r.i.p. ihr beiden.