keine sorge. das soll jetzt keine gepflogenheit werden, den wehmut über alte und vermeintlich bessere zeiten mit der keimzelle in der leipziger straße alljährlich wieder aufzuwärmen (obwohl am kommenden mittwoch in der maria das einjährige exil-dasein gefeiert wird – gründe gibt’s irgendwie immer). nur hatte ich dies als „review“ am dienstag nach dem finale verfasst, dementsprechend emotional-pathetisch ist das ganze im nachhinein auch geraten (gerade mit dem abstand von einem jahr). da der text mit dem alten blog eigentlich verlorengegangen war, ich ihn aber seinerzeit zum kopieren freigegeben hatte, freue ich mich, dass ich den dank tatkräftiger unterstützung wiederbeschaffen konnte und ihn auf den punkt genau ein jahr, nach dem ich das gelände endgültig verlassen habe, hier einfach nochmal wiederveröffentliche. gut genug ist er dafür dann doch, finde ich.
ach ja, gemäß interview mit den recyver dogs vergangenen samstag bei marusha auf fritz hofft man, den neuen club auf dem vattenfall-gelände an der köpenicker straße in diesem herbst wieder eröffnen zu können, bzw. noch optimistischer: zur love parade, dann evtl. nur einen raum. soviel zur offizielleren sachlage, am besten ist es, sich immer noch ans original zu halten.
kein runterrattern der sonstigen checkliste – wie toll der eine dj technisch war oder wie viele proleten und aggressive leute sich eingefunden hatten, sondern einfach nur ein gedächtnisprotokoll…
sonntag, 8h früh, wecker klingelt. nach vielleicht sechs stunden schlaf. “heute noch party? und dann auch noch bis morgen früh? wie soll das gehen?”
frisch gemacht, ein bisschen was gefrühstückt, der übliche doppelte espresso dazu, proviant eingepackt, ab ins auto, das letzte mal die strecke zur leipziger straße fahren. schon hier war etwas anders: bei tageslicht bin ich bisher höchstens zurück-, aber nicht hingefahren.
am alexanderplatz neben dem sternradio marvin abgeholt. das ist fast schon ein ritual und deshalb wichtig, weil die wenig später auf der leipziger straße (höhe breite straße) erfolgte (zivil)polizeikontrolle nichts weiter als ein sixpack zutage fördern konnte. immerhin gelernt, dass das sternradio zum “kriminalitätsgefährdeten ort” erklärt wurde und die polizei damit das recht besitzt, personen und wagen zu durchsuchen.10h30 endlich drin, sonnenschein, viele leute im hof vor dem globus, dj hell soll toll gewesen sein (so wird uns erzählt), natürlich war es voll und ist es immer noch. durch den garten in den keller. wegen gewöhnung ans tageslicht sieht man erstmal wenig, aber den weg kennt man eh fast blind. temperaturverhältnisse wie zur love parade, es ist angenehm gefüllt, kriek und mack wechseln sich alle zwei platten ab und reißen die leute mit. einer kreischt, mehr leute kreischen mit, der stahl an der decke zeigt das ausmaß der feier. in den nächsten stunden: pendeln zwischen hof, garten, tresor. ständig am leute treffen, nett plaudern, in der sonne sitzen, die tuna bar beschallt den gesamten garten gleich mit, wenige feiern, die meisten sitzen herum – es ist einfach nur entspannend.
nachmittags um 15h dringen detroit- und chicago-klänge aus dem globus. da muss richie wohl angefangen haben. pause im auto, eine stunde später zurück. die wettervorhersagen hatten schauer im süden brandenburgs angekündigt, hier sieht es nach nichts anderem als frühling aus. erwähnenswert, weil die sonne direkt auf den tresor scheint und die temperaturen im globus dermaßen anheizt, dass er sich mit dem keller ein hitzeduell liefern kann. tanzen ist möglich, da die notausgangs-türen zum hof hin wieder geöffnet sind und einige das zur körperertüchtigung im freien nutzen.
einen blick in den keller: pause von 14-18h? wird wohl nichts. hier wird immer noch gefeiert, als wenn die party niemals enden sollte. die tuna bar und der garten entwickeln sich zu dem zeitpunkt immer mehr zum entspanntesten ort.
18h: essen. gute idee. der asiate in den potsdamer-platz-arkaden hatte bereits beim tresor-park 2004 gute dienste geleistet, so auch dieses mal. entweder die haben geahnt, was für eine distanz uns noch bevorsteht, oder sie hatten ihren großzügigen tag. anders kann ich mir die extraportion nudeln nicht erklären.
eine stunde später: zurück am tresor, wovor immer noch eine kleine schlange von menschen wartet, die wegen einlassstopp ausharren müssen. ein ehepaar um die 50 kommt vorbei. “ist das nicht die diskothek, die heute zugemacht wird?” ich bejahe das, bekomme als antwort ein “na, dann müssen wir da wohl auch noch mal rein.” mit einem lächeln. im keller spielt andré galluzzi ein minimales set, was sehr gut zur uhrzeit passt. nach dem set von richie und ricardo hat es sich eh etwas geleert, aber es stehen immer noch genügend leute außerhalb des gemäuers. schlechte idee: daheim die longsleeves aus selbstüberschätzung nicht mitgenommen zu haben, da sich der garten im schatten merklich abkühlt. also immer das wechselspiel “tresor / garten”, also aufheizen / abkühlen. pacou spielt detroit-klassiker, langsam manifestiert sich der gedanke, dass es das letzte mal sein könnte, diese platten hier zu hören.
nachschub kurz nach 21h. sirkka und d sind da. d musste erst überredet werden, wird im verlaufe der nächsten vier stunden aber endlich von den qualitäten des clubs überzeugt. immer noch pendeln zwischen verschiedensten orten und leuten. “don’t laugh” oben, alle jubeln, unten spielt micha stahl seinen tooltechno, wo ich im sonstigen clubbetrieb eher hinten auf einem sessel zu finden gewesen wäre – dieses mal ist es anders. er spielt seine letzte platte (drexciya – lost vessel), zieht den fader runter und bedankt sich bei allen leuten. danach mad max. startet mit “game form”, setzt sein set mit einigen nummern aus dem tresor-katalog fort und ich verpasse damit das feuerwerk auf dem dach.
später im garten: aus der tuna bar erklingt “sonic destroyer”, ein paar leute klammern sich an die fenstergitter. auf dem hof treffe ich wolfgang (der den tresor-award letztes jahr organisiert hat): “es geht bis 12h.” andere reden von 18, wenn nicht gar 22h – “um 9h30 wird die reklametafel abgeholt.”
da wird wohl eine pause fällig, aber nicht, ohne es vorher noch mal von einer anderen quelle gehört zu haben. die ist in dem fall mad max, der mittlerweile von liquid sky abgelöst wurde.
also gegen 2h30 los zu sirkka, liegen, dösen, kurz einnicken. um 4h30 wieder auf den beinen. noch ein doppelter espresso, kann noch mal einiges mobilisieren.
tresor, kurz nach 5h. der hof ist deutlich leerer, das geschehen hat sich nach drinnen verlagert. ich treffe anja und marco von klangnet, die sich doch noch durchgerungen hatten, herzukommen. steve d. im keller, wohl seit samstag durchgängig vor ort und dementsprechend noch weniger zum mixen fähig als ohnehin schon. ich beginne, mich darüber zu ärgern, dass man den schluss doch besser hätte besetzen können. zwischenzeitlich wird der sound und auch das mixing besser, den leuten ist es egal. letztes mal tresor, da kann alles passieren.
es wird 9h30, regina baer (tresor-geschäftsführerin, die ihrerzeit mit dimitri zusammen den keller entdeckt und hergerichtet hatte), dash und dry und einige andere der belegschaft erscheinen im keller. ist hier doch bald schluss? platte läuft aus, es erklingen ton steine scherben – “der traum ist aus”. die ersten fangen an zu weinen, spätestens bei der nachfolgenden platte (”born slippy”) brechen alle dämme, auch bei mir. ab jetzt wird jede platte ausgespielt, so wirklich weiß keiner, ob jede die letzte ist oder nicht – selbst steve nicht. “dark train”, alle zwischen melancholie und dem letzten rest an energie. es ist nach 10h, schon wieder läuft eine platte aus. die leute wollen mehr. “das kann es doch nicht sein”, höre ich einen sagen. regina sagt unter tränen: “bitte geht hoch in den globus.” steve kann scheinbar noch nicht abschied nehmen, spielt irgendwelche monotonen tool-platten mit einigen schmankerln, um sich irgendwie durchzuhangeln. das putzlicht geht einige male an und wird ebenso oft wieder ausgeschaltet.
später gegen 11h sehe ich einen langhaarigen typen hinter den decks, wir gehen dennoch in den hof. dort auch ein typ von radio energy, bei dem ich annehme, er möchte die leute zum thema befragen. stattdessen bekomme ich zu hören, ob ich es im falle einer partnerschaft lieber erfahren würde, wenn meine partnerin fremdginge. passt perfekt zum anlass, was ich ihm auch zu verstehen gebe. mit dem anschließenden pisa-test à la energy bin ich einverstanden. einfach nur als reaktionstest. klappt in ein paar fällen sogar. dennoch hätte der typ ein paar hinter die löffel verdient.
auf einmal wird es laut, dash schmeißt den langhaarigen typen von eben eigenhändig raus. was ist los? runter, dunkel, stille, menschen warten auf musik. steve kommt, mit regina im schlepptau, spielt “schlangenfarm” von 3 phase, anschließend “sonic destroyer” von x-101, die erste tresor-katalognummer. musik aus, eine stimme “was für ein würdiges finale.” regina bedankt sich, die leute jubeln, steve will noch eine platte spielen, regina sträubt sich. er setzt sich durch. noch einmal die “schlangenfarm”. später werde ich lesen, dass er beim auflegen bereits am weinen war.
kurz nach 12h, das war’s. alle klatschen und bedanken sich. “we will never forget,” sagt einer. regina hebt die hände und erzählt, dass die “schlangenfarm” tatsächlich im tresor entstanden ist. hinten am ende des ganges, wo zum schluss der merchandising-stand seinen platz gefunden hatte. “dort hatte 3 phase sein studio, es war furchtbar,” sagt sie mit einem lächeln. bedankt sich einige male, schaltet den xone aus, das putzlicht geht diesmal endgültig an. ich nutze das für ein paar letzte vernebelte fotos, andere setzen sich auf den boden oder an die bar.
derweil im globus: ein klassiker aus den 1980ern. imagination – just an illusion. hier das selbe spiel wie oben. platte zu ende, alle jubeln, wollen mehr. die ersten takte von david bowies “heroes”, regina hier neben dem dj, dimitri hegemann daneben beim lightjockey. das wird zuviel, ich muss raus.
“heroes” drinnen zu ende, es ertönt noch einmal “sonic destroyer”, ein sichtlich hängengebliebener älterer feierveteran fragt mich, welcher tag heute ist. “montag”, sage ich. “und welcher ist morgen?” kommt es zurück – “dienstag.”
zeit zum aufbruch. vorbei am “trauer”-banner, wo einige stunden zuvor noch der “tresor”-schriftzug leuchtete. einzige sorge, jetzt nur noch den heimweg mit auto unbeschadet zu überstehen.wenn ich ein fazit ziehen sollte:
natürlich die beste party im tresor und überhaupt. und das lag nicht nur an den vielen menschen, die zu dem anlass noch mal aufgetaucht sind und auch nicht an den “special guests” (wobei richie und ricardo einen wirklich guten job gemacht haben).
was sich bereits anfang des jahres (als die schließung zwar im raume stand, aber noch nichts genaueres feststand) und spätestens beim geburtstag herauskristallisierte, kam am letzten abend vollständig zur geltung: irgendwas war anders. hatte man sich in den letzten jahren an ein leben mit dem tresor gewöhnt, das ein oder andere mal gemeckert, weil man mit dem booking oder dem label nicht zufrieden war oder manche besucher nicht den anschein erweckten, dass sie bis auf den drogenaspekt nicht wirklich viel mit techno zu tun hätten, war das alles in den letzten wochen und monaten einfach nicht mehr wichtig. man begann zu realisieren, dass es mit dem club als musikalische brutstätte zu ende gehen wird und sich bewusst zu werden, zu welcher marke sich der tresor im laufe der jahre entwickelt hat. jetzt bleibt nur noch das label, welches hoffentlich zu gewohnter stärke zurückfinden wird, aber auch da gehören höhen und tiefen zum geschäft.der abschied war in den von mir besuchten tagen der letzten zwei wochen absolut würdig, und ich habe immer noch wolfgangs worte von samstag früh, dass der schlusspunkt ein happening wird, im hinterkopf. das war es tatsächlich – nicht nur eine abschlussparty, wo man zusieht, möglichst viele leute durch den laden zu schleusen und mit dem standardprogramm abzufertigen. das zeigte schon das line-up, wo einige wieder einwenden können, dass residents nun wirklich nichts besonderes und nicht mehr als der standard sind. aber genau die sind es, die den laden in den vergangenen jahren prägten und denen es mit am schwersten gefallen ist, von dem dreckloch abschied zu nehmen. es war so persönlich, wie man es sich gewünscht hat und dementsprechend intensiv.
wenn ich in den vergangenen wochen meinte, dass das ende vom alten nicht so schwer genommen werden sollte, da das neue ja nicht zwangsläufig schlechter ist, muss ich heute sagen, dass es bei weitem nicht so leicht ist, wie man sich das vorstellt. klar, veränderungen sind nötig, und das gemüt wird sich in einigen tagen auch wieder beruhigt haben, aber es ist einfach der verlust des ladens, in dem das gefühl der initialzündung von 1991 immer noch bewahrt wurde. die gewissheit, das an diesem ort in der atmosphäre und mit netten leuten nie mehr erleben zu dürfen, ist der größte brocken an der geschichte.
danke für die letzten acht jahre und die damit verbundene musikalische ausbildung – nicht zuletzt durch das label.
danke für diverse dreckig getanzte klamotten und durchgetanzte schuhe – alles zeugnisse, was für maßstäbe auch beim feiern gesetzt wurden (auch wenn es das ein oder andere mal ruhig hätte länger gehen können im keller).
danke für die liebe zum detail, womit der laden ständig verfeinert wurde – insbesondere für den garten.
danke dafür, dass ich wegen euch weiß, was techno ist.
er wird mir unheimlich fehlen.