hausmusik verlässt die bühne des vertriebsgeschehens oder: gedanken zur zukunft des umganges mit musik

ich habe jetzt nicht mehr im hinterkopf, wieviele labels efa seinerzeit unter den fittichen hatte, bei hausmusik waren es aber ebenfalls einige liebhaberstücke (es reicht aus, alleine basic channel zu nennen), und so langsam wird die frage echt akut, was die zukunft der musikdistribution und vor allem deren verkauf angeht.

wer – gerade in jüngster zeit – hier mitgelesen hat, wird auch meine gewachsene affinität zu mp3-käufen bemerkt haben. auch wenn die hardware-software-lösung bei mir alleine aus finanziellen gründen noch aussteht, gewöhne ich mich tag für tag mehr an den gedanken, zukünftig höchstens mit einem notfallpaket an platten im club aufzutauchen, in dem im idealfall ein stabil laufendes system fest installiert ist, wo man höchstens noch seine externe festplatte anschließen muss, um loslegen zu können.
eine schöne utopie, so liegt es jedenfalls nahe. der bandscheibenvorfall, zurückzuführen auf den transport von 50 plus x platten, rückt erstmal in weite ferne. man läuft nicht gefahr, dass die nach 4 jahren suche für 20 euro endlich ergatterte ep einer bierdusche im club ausgesetzt wird, von ständiger besorgnis um die vollständigkeit des tascheninhalts und dem sonstigen verschleiß ganz zu schweigen. auch diverse quadratmeter in den eigenen vier wänden müssen nicht mehr so schnell mit weiteren bonde-regalen verstellt werden, weil ein großer teil der einkäufe nunmehr auf 3,5 statt auf 12, 10 oder 7 zoll lagert. eine sicherheitskopie des ganzen lagert dezentral und sicher, so dass man sich sicher sein kann, die sammlung im notfall wieder beisammen zu haben.
im grunde könnte man also frohlocken, dass diesem schweren, verschleißanfälligen, empfindlichen tonträger namens „schallplatte“ 25 jahre nach der cd sein vermeintlich wirklich letztes stündlein geschlagen hat und die zukunft den vergleichsweise klar klingenden dateien gehört, in welchem format auch immer sie angeboten werden, nur hat die medaille eben auch eine andere seite.

stolziert man aufmerksam durch die beiden in berlin neueröffneten giganten der unterhaltungselektronikmärkte (saturn am europa-center, media-markt im alexa – verteilt auf fünf, bzw. vier etagen), wird man in der tonträgerabteilung neben der obligatorischen cd-auswahl sicherlich das angebot an vinyl bemerken. der trend war in den letzten jahren schon zu beobachten, dass das schwarze gold nicht mehr nur im bereich dj-relevanter musik gefragt ist, sondern auch im rock-sektor wieder alben veröffentlicht werden. auf der ifa kürzlich begegnete meinem vater und mir am marantz-stand ein mitarbeiter, der auf unsere feststellung, dass sie auf einmal wieder plattenspieler ausstellen (und dies wohlgemerkt nicht extra in einer high-end-halle, wo man sie neben transrotor und co. vermuten würde), nur entgegnete, dass die nachfrage dazu tatsächlich vorhanden wäre.
ist natürlich begrüßenswert. vinyl: kein drm, schönes großes cover, die eben angesprochene schwäche der empfindlichkeit des tonträgers wird auf einmal zur stärke, weil ein vorsichtiger umgang mit ihm zugleich die identifikation mit der erworbenen musik steigert. und wenn man doch mal ehrlich ist: selbst cd-player mit durchsichtigem deckel, von wo aus man den silberling in seinen drehungen beobachten konnte, sind absolut nichts gegen eine sich drehende schallplatte, durch die sich ein tonarm mit einem angenehm klingenden tonabnehmersystem arbeitet. der im vergleich zur cd alles andere als perfekte klang macht seine defizite im hoch- und mitteltonbereich (gerade je näher man in richtung mitte gelangt) durch eine schöne analoge wärme mehr als wett. gerade djs können ob ihres augenmerks auf bassbetonter musik außenstehende mit ihren diskursen über die masteringqualitäten von diesen oder jenen studios zur weißglut treiben, womit ich sie auf eine stufe mit den audiophilen puristen stelle, deren höchstes vergnügen es zu sein scheint, die unterschiede zwischen verschiedenen pressungen von pink floyds „dark side of the moon“ zu analysieren. über die wiederauferstandenen hifi-puristen war demletzt in der zeit zu lesen, das würde hier zu weit führen.

die grenzen zwischen den musikhörern scheinen neu gezogen zu werden. den großteil der konsumenten scheinen diejenigen auszumachen, die sich ihre musik massenweise – legal oder illegal – aus dem netz holen und dabei keinen gedanken darauf verschwenden, mit welchen methoden der codec in der dateiendung arbeitet. m4a, aac, ogg, wma, mp3 – hauptsache, der rechner spielt es irgendwie und ich kriege es hin, mir davon meine lieblings-cd zusammenzustellen. neben der retorten-qualität derzeitiger popmusik, welche die schwäche einer gesamten industrie offenbart, die besser auf nummer sicher geht und den schnellen euro mit acts macht, auf die man bereits monate im voraus ausgiebigst via halbseidenen casting-formaten vorbereitet wird, ist dieser neue umgang mit musik, der einen nicht mehr dazu zwingt, sich gesamte alben anhören zu müssen (hand auf’s herz: die guten alben der meisten one-hit-wonder lassen sich wirklich an einer hand abzählen.), der hauptgrund dafür, weshalb das albumformat – und damit künstler mit tatsächlichem profil – nicht mehr so gefragt sind wie noch vor einem jahrzehnt.
am anderen ende steht der musikfanatiker – eine mindestens vierstellige anzahl an tonträgern im haus, inkl. sich ständig darüber beklagendem oder wenigstens kopfschüttelndem lebensabschnittspartner, findet jeden tonträger innerhalb von fünf minuten auf zuruf, kann einem wenigstens was zum erscheinungsjahr sagen, wo, in welchem laden, in welcher lebensphase man das alles gekauft hat, und als dj sogar noch, welche tanzfläche man damit leergefegt hat.

um die letzte spezies geht es mir primär. ist da nicht ein umbruch im gange? serato, traktor scratch, ableton live – sind das nicht alles systeme, die mittlerweile so ausgereift sind, dass der umgang damit nicht mehr länger zum haareraufen führt, sondern tatsächlich einen derartig reibungslosen ablauf gewährleisten, dass es sogar richtig spaß macht und man es keine sekunde bereut, das schwere case daheim gelassen zu haben?
sind sie. und darin liegen sowohl fluch, als auch segen des ganzen. wie an dem hausmusik-ende erkennbar wird, scheinen es independent-labels mittlerweile richtig schwer zu haben, überhaupt noch richtige tonträger abzusetzen, sofern sie nicht auch auf digitale vertriebswege setzen. ich gebe selbst zu, dass auch ich mittlerweile nach labels differenziere, bei denen ich dank online-verfügbarkeit geld, zeit und platz spare, und den sahnestücken, die es nicht digital zu kaufen gibt und auch z.t. als prestigeobjekt ins regal wandern müssen. viele beklagen den massiven einbruch von plattenverkäufen in den letzten jahren, was ich bislang nicht so recht wahrgenommen habe. besuche beim hardwax oder bei der space hall zeigen nach wie vor ein anderes bild: die regale sind voll, die belegschaft macht nicht den eindruck, als würde sie sich den lieben langen tag vor lauter untätigkeit fragen, weshalb man heute überhaupt aufgestanden sei, aber hört man sich bei labelmachern (abseits von mobilee und anderen konsens-labels der groove-charts) oder vertrieben um, scheint es mit dem umsatz veritabler tonträger echt nicht rosig auszusehen.
so komfortabel die vertriebsanhängigen portale (wo wordandsound gerade mit whatpeopleplay.com einen neustart gewagt hat, der dem alten portal schon jetzt im beta-stadium locker den rang abläuft) auch sind: sie können einen kompetenten plattenhändler nicht ersetzen, bzw. der prozess der vorab-selektion, welche die einkaufspolitik der hiesigen plattenläden so prägt, liegt komplett bei einem selbst. ist zwar schon wieder gut, weil man damit im idealfall die neuheiten ungefiltert zur verfügung hat, andererseits weiß jeder, dass es nach der 20. minimal-platte einfach keine laune mehr macht, sich auch noch die nächsten vier dutzend anzuhören – in der hoffnung, dass etwas gutes dabei ist. sicher, dann kann man sich auch fragen, weshalb man sich überhaupt dafür entschieden hat, weite teile seines netto-monatseinkommens dafür aufzuwenden, wenn man es nur so bequem wie möglich haben will, und ich glaube, auch beim virtuellen einkauf werden schnell die mechanismen greifen, wie sie sich ein jeder nach zwei bis drei jahren intensiveinkauf angeeignet hat. allerdings ist das repertoire vertriebsanhängiger downloadportale oder mp3-supermärkte à la beatport so groß, dass es für eigentlich gute veröffentlichungen schwieriger wird, sich im mittelmaß zu behaupten, weil sie gefahr laufen, darin unterzugehen. betrachtet man es realistisch, ist es mit dem einzug von mp3 wesentlich leichter geworden, mittelmäßige musik anzubieten, wenn sich einem label schon nicht die frage nach presskosten etc. stellt. auch da werden hoffentlich bald – wie im vinyl-sektor – die gesetze des marktes greifen.
mir machen daher die leidenschaftlichen plattenhändler etwas sorgen – dieser für außenstehende merkwürdige menschenschlag, von denen so gut wie jeder einzelne 10.000 plus x titel kennt und neben dem wahren des musikalischen erbes (welcher richtung auch immer) auch ein ohr für künftige trends hat. ich genieße es eigentlich immer, sofern jemand dieser plattenhändler auch irgendwo in einem namhaften club spielt, weil ich mir sicher sein kann, dass dabei keine x-beliebigen charts oder nur die heißesten promos gespielt werden, nur um zu zeigen, dass man mit dieser oder jener clique ganz dicke ist. sie sehen lieber zu, dass sie den leuten im club das bieten, was sie in ihrem vollzeitjob hinter der ladentheke auch am meisten beeindruckt hat – auch nachvollziehbar, wenn man sich weite teile des geschäftslebens mit beliebig austauschbaren platten auseinandersetzen muss. solchen leuten ist es zu verdanken, dass musik mit profil in den clubs zu hören ist, und dieses profil spiegelt sich zugleich im angebot des jeweiligen ladens wider. je nach präferenz wandert man als käuferlemming eben häufiger dorthin.
falls es – und die zeichen stehen eindeutig dafür, wirft man einen blick auf die entwicklungen bei dj-hardware – darauf hinausläuft, dass der handel mit musik nicht mehr auf physischen tonträgern basiert und fast ausschließlich dezentral stattfindet, bricht den plattenläden – und letztendlich auch manchen vertrieben – die existenzgrundlage weg (es sei denn, man startet den verkauf längst vergriffener raritäten, von denen sicherlich nie dateien in portalen auftauchen werden). sicher, den musikalischen anspruch werden die nun arbeitslosen plattendealer weiterhin wahren und ihre dj-existenz hoffentlich nicht an den nagel hängen, aber so lobenswert ein community-ansatz wie bei playwordandsound auch ist – er ersetzt die soziale interaktion im laden in keinster weise. schön zu wissen, dass ein laurent garnier diese oder jene platte in seine sets einbaut, aber die entdeckung verborgener schätze auf gestempelten whitelabels beim wühlen im neuheitenregal bleibt damit auf der strecke. im plattenladen riskiert man es eher, mal ein paar sekunden dafür zu investieren, bei den mp3-stores ist aufgrund der fülle des angebotes eine unendliche geduld notwendig.

klar, der clubgänger macht sich über sowas eher weniger gedanken. solange irgendetwas mit identifizierbarem takt aus der pa erschallt, ist die welt auch in ordnung. dem dj oder intensiven musikkonsumenten droht aber der verlust der instanzen, die den musikalischen geschmack neben den clubs schulen und erweitern, was auf parties – an orten, wo musik unmittelbar erfahren wird – wegen der dienstleistung am hedonistisch umtriebigen kunden nur bedingt möglich ist. ich hoffe daher, dass liebhaberlabels sich nicht der musikalischen beliebigkeit preisgeben und sich aus bequemlichkeit für den ausschließlich digitalen vertriebsweg entscheiden, sondern mit tatsächlichen tonträgern dazu beitragen, dass die spezies der vinylnerds doch nicht so schnell in vergessenheit gerät. dazu hänge ich einfach zu sehr am gesamten ablauf.

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